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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 17.05.2002
Aktenzeichen: 10 TaBV 140/01
Rechtsgebiete: GG, WRV, BetrVG


Vorschriften:

GG Art. 140
WRV Art. 137
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
BetrVG § 118 Abs. 1
BetrVG § 118 Abs. 2
1. Die Gleichstellung von Weltanschauungsgemeinschaften mit Religionsgemeinschaften nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV erfordert es nicht, den absoluten Tendenzschutz des § 118 Abs. 2 BetrVG auch auf Weltanschauungsgemeinschaften zu erstrecken.

2. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Anordnung von Überstunden im Bereich der ärztlichen Mitarbeiter eines Betriebes einer Weltanschauungsgemeinschaft sind nicht durch die Eigenart des Betriebes im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgeschlossen.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Beschluss

Geschäfts-Nr.: 10 TaBV 140/01

Verkündet am: 17.05.2002

In dem Beschlussverfahren unter Beteiligung

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm aufgrund der mündlichen Anhörung vom 17.05.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schierbaum sowie die ehrenamtlichen Richter Leuer und Kampschulte

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 30.08.2001 - 3 (2) BV 11/01 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A

Im vorliegenden Verfahren nimmt der Betriebsrat den Arbeitgeber auf Unterlassung der Anordnung, Duldung und Entgegennahme von Mehrarbeit und Überstunden im Bereich der Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes in Anspruch.

Der Antragsgegner ist der Trägerverein des Gemeinschaftskrankenhauses H1xxxxxx, in dem derzeit ca. 1200 Mitarbeiter, davon ca. 110 Ärzte, beschäftigt sind. Zurzeit sind im Gemeinschaftskrankenhaus 11 leitende Ärzte - Chefärzte - tätig.

Der Trägerverein ist ein eingetragener Verein. In § 2 Nr. 1 der Satzung des Trägervereins (Bl. 81 ff.d.A.) heißt es wie folgt:

"Der Verein dient der Entwicklung und dem Betrieb des Gemeinschaftskrankenhauses H1xxxxxx und verwandter Einrichtungen zum Wohle kranker und hilfsbedürftiger Menschen. Sein Ziel ist, durch die anthroposophische Welt- und Menschenerkenntnis zu einer Erweiterung der Medizin, Pflege und künstlerischen Therapie sowie deren Sozialgestalt beizutragen. Er fördert die Aus- und Weiterbildung sowie Wissenschaft und Forschung in allen Bereichen der Einrichtungen."

Auf die weiteren Bestimmungen der Satzung wird Bezug genommen.

Der Trägerverein wurde am 15.11.1960 gegründet; Gründer waren im Wesentlichen anthroposophische Ärzte, Pharmazeuten und ein Architekt.

Derzeit hat der Verein 128 Mitglieder. Dabei handelt es sich zu über 90 % um Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter. Vereinsmitglieder wählen entsprechend den vereinsrechtlichen Bestimmungen einen Vorstand, der die Geschäfte satzungsgemäß wahrnimmt. Mitglied kann werden, wer die Satzungsziele unterstützt.

Der Vereinsvorstand hat für das Gemeinschaftskrankenhaus einen Geschäftsführer eingesetzt, der für den operativen Betrieb und die strategische Ausrichtung verantwortlich ist. Grundlegende Entscheidungen werden mit dem Vorstand abgestimmt und bedürfen seiner Zustimmung.

Außerdem ist für das Gemeinschaftskrankenhaus eine Betriebsleitung gebildet, die aus dem ärztlichen Direktor, der Pflegedirektorin, dem Leiter der Verwaltung, dem Leiter der Materialwirtschaft und dem Leiter der Technik besteht (vgl. Organigramm Bl. 225 f.d.A.).

Das Gemeinschaftskrankenhaus, dessen Planung und Errichtung bis in die 50er Jahre zurückgeht, wurde im November 1969 eröffnet.

Seit 1971 gab es im Gemeinschaftskrankenhaus einen sogenannten "Vertrauenskreis", der vom Arbeitgeber eingesetzt wurde und der im Sinne einer Mitarbeitervertretung und Schlichtungsstelle bei Streitfragen beteiligt wurde. Dieser Vertrauenskreis war zunächst mit sieben Mitgliedern besetzt.

In einem Strukturpapier vom 15.11.1975 war festgehalten, dass der Vertrauenskreis in Anlehnung an das Betriebsverfassungsgesetz gewählt wird. Er entsendet ein Mitglied in die Geschäftsführung zur konstruktiven Unterstützung der Führungsaufgaben.

Seit dem Jahre 1993 führte der Vertrauenskreis parallel den Namen Betriebsrat.

Dieser Betriebsrat, der inzwischen das vierte Mal infolge - zuletzt Anfang des Jahres 2002 - nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes gewählt worden ist, führte seit der Betriebsratswahl von 1998 den Namen "Vertrauenskreis" nicht mehr. Derzeit besteht der Betriebsrat, der Antragsteller, aus 15 Mitgliedern.

Im März 1993 gab das Gemeinschaftskrankenhaus eine Schrift über "Auftrag und Leitlinien" heraus, in denen die Ziele und Grundsätze des Gemeinschaftskrankenhauses niedergelegt waren. Hiernach ist die ideelle Grundlage für das ärztliche, pflegerische und therapeutische sowie für das betriebliche und wirtschaftliche Handeln die Entwicklung des Menschen zu einer freien, sich selbst bestimmenden und der sozialen Verantwortung bewussten Persönlichkeit. Quelle des Handelns sind die vom Einzelnen selbst erarbeitenden Erkenntnisse der anthroposophischen Geisteswissenschaft. Auf den weiteren Inhalt des "Auftrags und Leitlinien" (Bl. 85 ff.d.A.) wird Bezug genommen.

Die Standardarbeitsverträge für die im Gemeinschaftskrankenhaus tätigen Ärzte enthalten jeweils eine Präambel, in der es wie folgt heißt:

"Das gemeinsame Ziel aller im Krankenhaus tätigen Mitarbeiter ist die Hilfeleistung für den kranken und leidenden Menschen. Jede Arbeit soll dieser Aufgabe dienen. Die hierzu notwendigen gemeinsamen Anstrengungen der Mitarbeiter orientieren sich an der Idee der freien, sich selbst bestimmenden Persönlichkeit sowie dem Anliegen, die Individualität des Patienten in seinen geistigen, seelischen und physischen Dimensionen zu erfassen. An dieser Idee sollen sich auch die Formen der sozialen Zusammenarbeit orientieren.

Dem medizinischen Handeln möge der Leitsatz dienen:

Unterstütze den kranken Menschen darin, seine individuellen Möglichkeiten zu verwirklichen und in der Auseinandersetzung mit seinem kranken Leiden, seinem Schicksal und der Umwelt neue Verwirklichungsmöglichkeiten zu veranlagen."

Der Arbeitgeber ist nicht tarifgebunden. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Gemeinschaftskrankenhaus 38,5 Stunden. Der Bereitschaftsdienst für Assistenzärzte ist seit Jahren im Gemeinschaftskrankenhaus in einer Betriebsvereinbarung vom 31.10.1991 (Bl. 97 ff.d.A.) geregelt.

Im Jahre 2000 leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren wegen der Verletzung von Mitbestimmungsrechten bei der Anordnung von Überstunden beim Arbeitsgericht Hagen - 3 BV 38/00 - ein. Streitgegenstand dieses Verfahrens war die Ableistung von Überstunden durch Sekretärinnen. Das Verfahren wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 24.08.2000 beendet (Bl. 6 f.d.A.).

Im Januar 2001 ordnete der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats Mehrarbeit für ärztliche Mitarbeiter an bzw. nahm diese entgegen. Im Einzelnen waren davon betroffen aus der Abteilung Neurologie die Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes D2xxxxxx, F1xxxxx, D1. K4xxxx, K8xx, D1. K5xxx und S4xxx. Des Weiteren verrichteten die ärztlichen Mitarbeiter der Abteilungen Chirurgie/Urologie H7xxxxx, K9xxxxxx, S5xxx und F2xxxxx sowie der Intensivabteilung B6xxxxxxx, G5xxxxxxx und H4xxxx Mehrarbeit. Ebenfalls Mehrarbeit leisteten die Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes der Abteilung Gynäkologie/Entbindung H8xxxxxx und L2xxxx. Die Anzahl der Überstunden bzw. die genauen Daten der Tage, an denen Mehrarbeit geleistet wurde, ergeben sich aus den Stundenaufstellungen der genannten Mitarbeiter aus Januar 2001. Die Mehrarbeit der jeweiligen Mitarbeiter ist in der jeweils unteren Zeile festgehalten. Auf den Inhalt der in Kopie eingereichten Aufstellungen wird Bezug genommen (Bl. 8 ff.d.A.).

Bei den angeordneten bzw. geduldeten Überstunden handelt es sich jeweils nicht um Notfälle. Für diese besteht jeweils eine Zuständigkeit der nach dem Dienstplan eigens dafür in Ruf- oder Anwesenheitsbereitschaft versetzten ärztlichen Mitarbeiter.

Die Ärzte H7xxxxx und K9xxxxxx sind Assistenzärzte der Chirurgie. Sie weisen beide die gleiche Beschäftigungsdauer im Fachbereich Chirurgie auf und stehen unmittelbar vor der Facharztprüfung. Herr K9xxxxxx erstellt die Dienstpläne der Chirurgie. Frau S5xxx ist Ärztin im Praktikum.

Herr D2xxxxxx hat die Funktion des kommissarisch leitenden Arztes in der Neurologie. D1. K5xxx ist stellvertretender leitender Arzt in der Neurologie. Frau D1. K4xxxx ist Fachärztin und übernimmt die Elektrophysiologie, die sie in der heutigen Form selbst aufgebaut hat, weitgehend selbständig. Frau F1xxxxx und H5x S4xxx sind Ärzte im Praktikum im Bereich der Neurologie.

Im Januar 2001 waren Frau B6xxxxxxx, Herr G5xxxxxxx und Herr H4xxxx Assistenzärzte, die im Rahmen von Rotationen ihrer fachärztlichen Weiterbildung auf der Intensivstation eingesetzt waren. Alle drei Genannten hatten die gleichen Schwerpunkte und den gleichen Weiterbildungsstand. Die Ärzte im Praktikum übernehmen ebenso wie die Assistenzärzte selbständig den Nachtdienst.

Der Betriebsrat nahm im Hinblick auf die von den ärztlichen Mitarbeitern geleisteten Überstunden ein Mitbestimmungsrecht für sich in Anspruch und machte mit dem am 06.04.2001 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren einen Unterlassungsanspruch geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stehe im Zusammenhang mit der Anordnung, Duldung und Entgegennahme von Überstunden im ärztlichen Dienst ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu. Die wiederholte Verletzung seines Mitbestimmungsrechtes durch den Arbeitgeber bei der Anordnung bzw. Entgegennahme von Überstunden stelle einen groben Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG dar. In diversen Verfahren habe der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht einfordern müssen. Mindestens stehe dem Betriebsrat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zu.

Der Betriebsrat hat zudem die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber könne sich weder auf den absoluten Tendenzschutz nach § 118 Abs. 2 BetrVG noch auf den relativen Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berufen. Weltanschauungsgemeinschaften seien nicht generell den Religionsgemeinschaften gleichzustellen. Jede Behandlung von Patienten durch ärztliche Mitarbeiter orientiere sich an schulmedizinischen Grundsätzen. Das Gemeinschaftskrankenhaus unterscheide sich nicht von anderen Krankenhäusern oder Kliniken. Auch bei der Einstellung von Ärzten sei eine anthroposophische Grundanschauung nicht maßgeblich, es zählten Qualifikation und Erfahrungen im medizinischen Bereich.

Ferner erfordere auch die Eigenart des Gemeinschaftskrankenhauses den Ausschluss des Mitbestimmungsrechtes bei der Anordnung bzw. Entgegennahme von Überstunden im Bereich des ärztlichen Dienstes nicht. In diesem Zusammenhang hat der Betriebsrat gemeint, die im Einzelnen genannten ärztlichen Mitarbeiter seien vergleichbar und austauschbar. Auch im Verhältnis der Ärzte im Praktikum zu den Assistenzärzten sei eine Austausch- und Vergleichbarkeit bezogen auf die einzelnen Fachbereiche gegeben, da sie in tatsächlicher Hinsicht inhaltlich die gleiche Tätigkeit mit denselben Anforderungen, wie etwa die selbständige Übernahme des Nachtdienstes, verrichteten.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Anordnung von Mehrarbeit betreffe die vom Arbeitgeber vertretene Tendenz nicht; es gehe insoweit lediglich um die gerechte Verteilung der Überstunden, um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes. Wann welcher Arzt seinen Dienst verrichtete, sei für die Verwirklichung einer etwaigen Tendenz nicht prägend.

Der Betriebsrat hat beantragt,

dem Antragsgegner unter gleichzeitiger Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 20.000,00 DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, die Anordnung, Duldung und Entgegennahme von Mehrarbeit und Überstunden im Bereich der Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes zu unterlassen, soweit diese nicht durch Notfälle bedingt sind, der Antragsteller nicht zugestimmt oder die Einigungsstelle die Zustimmung ersetzt hat.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Für ihn als Weltanschauungsgemeinschaft greife der absolute Tendenzschutz des § 118 Abs. 2 BetrVG ein. Auch Weltanschauungsgemeinschaften fielen unter den absoluten Tendenzschutz des § 118 Abs. 2 BetrVG. Dies ergebe sich aus Art. 140 Grundgesetz i.V.m. Art. 137 Abs. 7 Weimarer Reichsverfassung -WRV-, wonach Weltanschauungsvereinigungen den Religionsgesellschaften gleichzustellen seien. Der Antragsteller sei eine derartige Weltanschauungsgemeinschaft. Dies ergebe sich im Einzelnen aus § 2 der Satzung des Arbeitgebers und aus den 1993 herausgegebenen "Auftrag und Leitlinien", wonach Quelle des Handelns sämtlicher Beschäftigten die Erkenntnisse der anthroposophischen Geisteswissenschaft sei.

Mindestens unterliege der Arbeitgeber dem relativen Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Der Arbeitgeber unterhalte eine karitative Einrichtung, er sei ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig. Die ärztlichen Mitarbeiter nähmen tendenzbezogene Aufgaben wahr und seien damit an der Tendenzverwirklichung des Unternehmens maßgeblich beteiligt. Ihre Tätigkeit sei für die geistig-ideelle Zielsetzung des Unternehmens prägend. Insoweit seien die vom Betriebsrat im Einzelnen aufgelisteten ärztlichen Mitarbeiter jeweils nicht miteinander vergleichbar und auch nicht austauschbar. Dies gelte insbesondere für die Chef- und Oberärzte, wie auch für die weiteren Ärzte, auch für die Assistenzärzte und die Ärzte im Praktikum. Alle im Gemeinschaftskrankenhaus beschäftigten Ärzte seien Tendenzträger, die für die karitative Zielsetzung des Krankenhauses prägend tätig seien. Schließlich liege auch kein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG gegen betriebsverfassungsrechtliche Bestimmungen vor, da die Berufung des Arbeitgebers auf den Tendenzschutz aus § 118 BetrVG insbesondere hinsichtlich der Frage der Mehrarbeit im ärztlichen Bereich rechtlich nicht geklärt sei.

Durch Beschluss vom 30.08.2001 hat das Arbeitsgericht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, gegenüber dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG könne sich der Arbeitgeber weder auf den absoluten Tendenzschutz des § 118 Abs. 2 BetrVG noch auf den relativen Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berufen. § 118 Abs. 2 BetrVG finde auf Weltanschauungsgemeinschaften weder aufgrund einer ausdehnenden Auslegung noch aufgrund einer Gesetzesanalogie Anwendung. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber einer bestimmten Weltanschauung nahe stehe und deren Verwirklichung zum Ziele habe, lasse nicht erkennen, weshalb er mit einer Religionsgemeinschaft gleichzustellen sein solle. Ferner stehe auch die Eigenart des Unternehmens des Arbeitgebers der Anwendung der Mitbestimmungsrechte nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht entgegen. Dies gelte insbesondere in sozialen Angelegenheiten, in denen es um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes gehe. Bei der Dienstplaneinteilung in Krankenhäusern, auch bei der Anordnung von Überstunden sei ein Tendenzbezug nicht ersichtlich. Insoweit gehe es lediglich um die gleichmäßige Arbeitseinteilung unter Berücksichtigung der Freizeitwünsche der einzelnen Mitarbeiter. Wann welcher Arzt Dienst habe bzw. über den üblichen Dienst hinausgehende Überstunden oder Mehrarbeit ableiste, sei für die karitative Zielsetzung des Arbeitgebers nicht prägend.

Gegen den dem Arbeitgeber am 18.10.2001 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Arbeitgeber am 16.11.2001 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 31.01.2002 mit dem am 29.01.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Arbeitgeber ist nach wie vor der Auffassung, ein grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG liege nicht vor. Unrichtig sei bereits, dass der Tenor des arbeitsgerichtlichen Beschlusses alle Ärzte des Krankenhauses erfasse. Der Beschluss berücksichtige nicht, dass eine Vielzahl von Ärzten aufgrund liquidationsrechtlicher Vereinbarungen Dienste leiste. Alle Ärzte mit Liquidationsrecht hätten auszuscheiden. Insoweit arbeiteten die Ärzte aufgrund eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages zwischen Patient und dem liquidationsberechtigten Arzt. In dieser Funktion seien die Ärzte nicht als Arbeitnehmer tätig.

Ein grober Verstoß scheide auch schon deshalb aus, weil es sich bei dem vom Betriebsrat reklamierten Mitbestimmungsrecht um eine ungeklärte, höchstrichterlich nicht entschiedene Rechtsfrage handele. Selbst die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses belegten, dass es unterschiedliche Auffassungen zum absoluten Tendenzschutz bei Weltanschauungsgemeinschaften gebe.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht diesen absoluten Tendenzschutz nach § 118 Abs. 2 BetrVG verneint. Weltanschauungsgemeinschaften seien nach Art. 137 Abs. 7 WRV den Religionsgemeinschaften gleichzustellen. Sie müssten aus verfassungsrechtlichen Gründen in den Schutzbereich des § 118 Abs. 2 BetrVG einbezogen werden.

Bei dem Trägerverein des Gemeinschaftskrankenhauses handele es sich um eine Weltanschauungsgemeinschaft in diesem Sinne. Dies ergebe sich aus § 2 der Satzung des Arbeitgebers sowie auch aus dem "Auftrag und Leitlinien". Die anthroposophische Welt- und Menschenerkenntnis sei eine von R2xxxx S6xxxxx begründete Weltanschauung. Sie stelle einen Weg dar, sich eine geist-orientierte, nicht materialistisch-einseitige Weltanschauung zu erarbeiten. Aus dem Weltbild von R2xxxx S6xxxxx sei die anthroposophische Medizin in ihrer Ausgestaltung und Weiterentwicklung für den individuellen Heilbedarf entwickelt worden. Sie führe zu neuen diagnostischen Wegen, neuen Behandlungsweisen und neuen Formen der Heilmittelherstellung. Zur Ausübung der anthroposophischen Medizin gehöre nicht nur das Studium der naturwissenschaftlichen Medizin, sondern ebenso ein intensives Studium der Seelen- und Geistnatur des Menschen.

Auch den Ausführungen des Arbeitsgerichts zum relativen Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG könne nicht gefolgt werden. Dass es sich bei dem Gemeinschaftskrankenhaus um einen Betrieb mit karitativer Zweckbestimmung handele, werde auch vom Arbeitsgericht nicht in Zweifel gezogen. Zu Unrecht sei das Arbeitsgericht aber davon ausgegangen, dass die von Überstunden betroffenen Ärzte austauschbar seien und bei karitativen Zielsetzung des Arbeitgebers nicht prägend mitwirkten. Jeder Arzt, der sich der anthroposophisch erweiterten Medizin verpflichtet fühle, gehe aus freiem Willen einen individuellen Entwicklungsweg, um sich erweiterte Kenntnisse und praktische Fähigkeiten zu erwerben. Dieser Entwicklungsweg stelle sich, obwohl er auf allgemeinen Prinzipien beruhe, als in jedem Fall individuell dar, so dass sich im Ergebnis die einzelne Arztpersönlichkeit als unverwechselbar und in ihrer Art unaustauschbar darstelle. Der anthroposophische Arzt bemühe sich, in Diagnose und Therapie nicht nur allgemein gültige Verfahren anzuwenden, sondern individuell auf jeden Patienten einzugehen und dessen Individualität mit der jeweils einzigartigen Konstitution und seinem einzigartigen Schicksal konkret zu berücksichtigen. In dieser Hinsicht sei für den Arzt jeder Patient neu; er werde jeweils zum "Forschungsgegenstand". Der anthroposophisch orientierte Arzt kenne seine Patienten in seiner Individualität und in seinem Krankheitsbild umfassend. Er kenne die seelische und geistige Gesamtkonstitution des Patienten und bemühe sich, in Diagnose und Therapie individuell auf diese Gegebenheiten einzugehen und diese konkret zu berücksichtigen. Insoweit sei es unmöglich, eine Behandlung des Patienten deswegen abzubrechen, weil die Schichtarbeit beendet sei und die erste Überstunde beginne. Der Arzt der anthroposophisch erweiterten Medizin könne die weitere Behandlung nicht einem dienstplanmäßig nachfolgenden Arzt überlassen, der diese Beziehung zum Patienten nicht aufgebaut habe. Insoweit gehe es nicht um organisatorisch-technische Arbeitsabläufe oder die Verteilung von Arbeitszeiten, sondern um die Verwirklichung der Tendenzeigenschaft mit der anthroposophischen Medizin gegenüber dem Patienten. Dieses besondere Arzt-Patient-Verhältnis lasse einen Austausch von Ärzten und die Weiterbehandlung des Patienten durch andere Ärzte nicht zu.

Eine Austauschbarkeit von Chefärzten und deren Stellvertreter sowie bei den Oberärzten sei ohnehin nicht gegeben. Sie fehle aber auch bei den Assistenzärzten und Ärzten im Praktikum, weil auch deren Tätigkeit prägend für die karitative Zielsetzung des Arbeitgebers sei. Nur der die Behandlung durchführende Arzt könne nach Erreichen des üblichen Dienstes seine Tätigkeit fortsetzen, durch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates könne er hieran nicht gehindert werden. Auch Assistenzärzte und Ärzte im Praktikum seien im Hinblick auf den unterschiedlichen Ausbildungsstand und die unterschiedliche Berufserfahrung nicht austauschbar.

Der Arbeitgeber beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hagen vom 30.08.2001 - 3 (2) BV 11/01 - den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts und ist nach wie vor der Auffassung, der Arbeitgeber habe in grober Weise gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verstoßen. Dies ergebe sich im Einzelnen aus den Schreiben vom 17.11.1998, 17.02.1999 und 27.05.1999 (Bl. 207 ff.d.A.). Zu keinem Zeitpunkt habe der Arbeitgeber sich darauf berufen, dass das Mitbestimmungsrecht durch den Tendenzschutz eingeschränkt sein könnte.

Der Arbeitgeber könne sich nicht auf den absoluten Tendenzschutz des § 118 Abs. 2 BetrVG berufen. Er sei keine Religionsgemeinschaft. Das Konzept des Arbeitgebers lasse sich auch nicht als Weltanschauung qualifizieren. Satzungsgemäßes Vereinsziel sei es, Gemeinschaftskrankenhäuser zu entwickeln und zu betreiben und damit dem Wohl kranker und hilfsbedürftiger Menschen zu dienen. Zwar verfolge der Arbeitgeber in seinem Krankenhaus einen Ansatz, der sich von anderen Krankenhäusern zum Teil in der Herangehensweise an Medizin und Pflege unterscheide, indem er auf Ideen von R2xxxx S6xxxxx und anderen anthroposophischen Autoren zurückgreife. Insoweit stelle der Trägerverein jedoch keine Weltanschauungsgemeinschaft dar. Es fehlten Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens.

Im Übrigen stelle sich der Arbeitgeber, wenn er sich nunmehr auf den absoluten Tendenzschutz berufe, in Widerspruch zu der seit langem von ihm selbst geübten betrieblichen Praxis der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. Der Arbeitgeber habe die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes und die Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrates stets grundsätzlich akzeptiert.

Im Übrigen finde § 118 Abs. 2 BetrVG auf Weltanschauungsvereinigungen ohnehin keine Anwendung. Insoweit sei den Ausführungen des Arbeitsgerichts zu folgen. In Kenntnis des Art. 137 WRV habe der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes in § 118 BetrVG eine differenzierte Regelung getroffen. Den absoluten Tendenzschutz habe er dabei ausdrücklich auf Religionsgemeinschaften beschränkt und damit verfassungsrechtliche Vorgaben erfüllt. Die Ausweitung des absoluten Tendenzschutzes auch auf Weltanschauungsgemeinschaften sei verfassungsrechtlich auch nicht geboten.

Der Mitbestimmung des Betriebsrates im Bereich der Überstunden im ärztlichen Dienst stehe die sich aus der anthroposophischen Zielsetzung ergebende Eigenart des vom Arbeitgeber betriebenen Krankenhauses nicht entgegen. Auch der relative Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG komme nicht in Betracht. Alle betroffenen Ärzte seien in der Lage, ihren ärztliche Dienst in eigener Verantwortung zu übernehmen. Insoweit seien die Ärzte austauschbar. Die Frage, zu welcher konkreten Zeit jeder einzelne Arzt seine Arbeit verrichte, sei für die Verwirklichung der karitativen Zielsetzung nicht prägend.

Insoweit könne sich der Arbeitgeber nicht auf die Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit der Arzt-Patient-Beziehung berufen. Auch der Arzt der anthroposophisch erweiterten Medizin könne die weitere Behandlung einem dienstplanmäßig nachfolgenden Arzt überlassen. Andernfalls müsste der anthroposophische Arzt seinem Patienten unter Zurückstellung sämtlicher eigenen Bedürfnisse einschließlich des Schlafbedürfnisses rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Auch bei Urlaub und Krankheit finde eine Vertretung statt. Auch der Arzt der anthroposophisch erweiterten Medizin sei kein völlig autonomes Wesen, sondern er arbeite in einem Team zusammen mit anderen Ärzten und Pflegekräften.

Schließlich differenziere der Arbeitgeber zu Unrecht zwischen liquidationsberechtigten Ärzten und sonstigen Assistenzärzten. Liquidationserlöse würden jedoch zu 100 % an den Arbeitgeber abgeführt. Bereits in den Rechnungen an die Patienten gebe der Arzt nicht ein eigenes Konto, sondern das Konto des Arbeitgebers an. Durch die Behandlung von Privatpatienten oder die Erbringung von Wahlleistungen gegenüber Kassenpatienten erhielten die liquidationsberechtigten Ärzte kein zusätzliches Einkommen.

Das Überschreiten der regulären Arbeitszeit bei den liquidationsberechtigten Ärzten beruhe auch nicht allein darauf, dass Privatpatienten behandelt würden. Dem stehe schon der organisatorische Ablauf entgegen. Auch im Gemeinschaftskrankenhaus des Arbeitgebers sei es nicht so, dass zunächst die Kassenpatienten behandelt würden und erst im Anschluss daran die Privatpatienten.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

B

Die zulässige Beschwerde des Arbeitgebers ist unbegründet.

I.

Der Antrag des Betriebsrates ist zulässig.

1. Der Betriebsrat verfolgt sein Unterlassungsbegehren zutreffend im Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1, 81 ArbGG. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit, nämlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Anordnung, Duldung und Entgegennahme von Überstunden im Bereich des ärztlichen Dienstes nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG streitig. Hierfür ist das Beschlussverfahren die zulässige Verfahrensart.

2. Die Antrags- und Beteiligungsbefugnis des Betriebsrates und des Arbeitgebers ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

3. Auch das Rechtsschutzbedürfnis des Betriebsrates für das vorliegende Verfahren hat das Arbeitsgericht zutreffend bejaht. Darauf kann Bezug genommen werden.

II.

Der Antrag des Betriebsrates ist auch begründet.

Das Arbeitsgericht hat in dem sorgfältig begründeten Beschluss zu Recht dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrates stattgegeben.

1. Der Unterlassungsantrag des Betriebsrates war nicht schon deshalb als unbegründet zurückzuweisen, weil der im Gemeinschaftskrankenhaus des Arbeitgebers gebildete Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Zwar ist nach Eröffnung des Krankenhauses zunächst ein sogenannter Vertrauenskreis gebildet worden. In der Folgezeit ist jedoch ein Betriebsrat nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes gewählt worden, zuletzt im Jahr 1998 und im Jahr 2002. Ein Wahlanfechtungsverfahren, etwa mit der Begründung, ein Betriebsrat hätte gar nicht gewählt werden dürfen oder sei nicht ordnungsgemäß gewählt worden, ist unstreitig nicht eingeleitet worden. Damit ist der Betriebsrat legitimiert, einen Unterlassungsanspruch nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes für sich in Anspruch zu nehmen.

2. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Arbeitgeber im Januar 2001 für zahlreiche Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes Mehrarbeit und Überstunden angeordnet, geduldet und bzw. entgegengenommen hat, ohne dass der Betriebsrat hieran beteiligt worden ist. Bereits hieraus ergibt sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch.

Die Beschwerdekammer hat offen gelassen, ob es sich bei dieser Anordnung, Duldung und Entgegennahme von Überstunden der ärztlichen Mitarbeiter um einen groben Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG gehandelt hat. Dem Betriebsrat steht nämlich grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 BetrVG verletzt. Dieser Anspruch setzt auch keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 23.07.1996 - AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 87 Rz. 596 und § 23 Rz. 99 ff.; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 8. Aufl., § 87 Rz. 316; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl., § 235 Rz. 93 m.w.N.).

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Betriebsrat bei der vorübergehenden Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitzeit mitzubestimmen. Unter der betriebsüblichen Arbeitszeit ist die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit zu verstehen (BAG, Beschluss vom 13.06.1989 - AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Die Anordnung von Überstunden ist der Hauptfall der Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Diese beträgt im Gemeinschaftskrankenhaus des Arbeitgebers im Bereich der ärztlichen Mitarbeiter 38,5 Stunden pro Woche. Zahlreiche Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes haben im Januar 2001 Überstunden geleistet, die vom Arbeitgeber angeordnet, geduldet oder mindestens stillschweigend entgegengenommen worden ist. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten auch, dass der Arbeitgeber insoweit keine individuellen Regelungen bei jedem einzelnen Arzt vorgenommen hat. Damit handelt es sich um einen kollektiven Tatbestand.

3. Dieses grundsätzlich gegebene Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Anordnung von Überstunden im Bereich der ärztlichen Mitarbeiter nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist nicht durch den absoluten Tendenzschutz des § 118 Abs. 2 BetrVG ausgeschlossen.

Nach § 118 Abs. 2 BetrVG finden die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform.

a) Der Arbeitgeber ist keine Religionsgemeinschaft im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG, das von ihm betriebene Gemeinschaftskrankenhaus ist keine karitative Einrichtung einer Religionsgemeinschaft.

Zwar ist der Begriff der Religionsgemeinschaft in § 118 Abs. 2 BetrVG ebenso zu verstehen wie der Begriff der Religionsgesellschaft im Sinne des Art. 137 Abs. 3 WRV (BAG, Beschluss vom 24.07.1991 - AP Nr. 48 zu § 118 BetrVG 1972 (unter B. II. 1. der Gründe); Fitting, a.a.O., § 118 Rz. 54; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., § 118 Rz. 106; Richardi/Thüsing, BetrVG, 8. Aufl., § 118 Rz. 189; Hanau/Kania, ErfK, 2. Aufl., § 118 BetrVG Rz. 30 m.j.w.N.).

Unter einer Religionsgemeinschaft, deren Begriff regelmäßig weit auszulegen ist (BAG, Beschluss vom 06.12.1977 - AP Nr. 10 zu § 118 BetrVG 1972), wird allgemein ein Zusammenschluss einer Organisation verstanden, die in glaubensbezogener Übereinstimmung ihrer Mitglieder äußerlich erkennbar ein Glaubensbekenntnis leben. Die Herausnahme der Kirchen und ihrer karitativen und erzieherischen Einrichtungen aus dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes beruht auf dem den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleisteten Recht, ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze zu ordnen und zu verwalten (BVerfGE 46, 73, 95 = AP Nr. 1 zu Art. 140 GG (unter B. II. 4. der Gründe)). Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht steht den Kirchen nicht nur hinsichtlich ihrer körperschaftlichen Organisation oder ihrer Ämter zu. Es erstreckt sich auch auf rechtlich selbständige Vereinigungen und deren Einrichtungen, die sich nur die partielle Pflege des religiösen oder weltanschaulichen Lebens ihrer Mitglieder zum Ziel gesetzt haben, soweit sie nach kirchlichem Selbstverständnis entsprechend ihrem Zweck oder ihrer Aufgabenstellung dazu berufen sind, den weltbezogenen Auftrag der Kirchen wahrzunehmen und zu erfüllen (BVerfGE 46, 73, 85; BVerfGE 53, 366, 391).

Für die Zuordnung einer rechtlich selbständigen Einrichtung zur Kirche ist nicht ausreichend, dass die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrags gerichtet ist. Hinzu kommen muss ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten der Kirche, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können. Der ordnende Einfluss der Kirche bedarf allerdings keiner satzungsmäßigen Absicherung. Die Kirche muss jedoch in der Lage sein, einen etwaigen Dissens in religiösen Angelegenheiten zwischen ihr und der Einrichtung unterbinden zu können (BAG, Beschluss vom 14.04.1988 - AP Nr. 36 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 24.07.1991 - AP Nr. 48 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 30.04.1997 - AP Nr. 60 zu § 118 BetrVG 1972).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist das vom Arbeitgeber geführte Gemeinschaftskrankenhaus keine Einrichtung einer Religionsgemeinschaft im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG. Das Gemeinschaftskrankenhaus, das vom Arbeitgeber betrieben wird, ist nicht Teil der katholischen oder evangelischen Kirche, für die das Betriebsverfassungsgesetz keine Anwendung findet. Eine hinreichende kirchliche Zuordnung des Arbeitgebers, zu welcher Glaubensgemeinschaft auch immer, ist nicht ersichtlich.

b) Der Arbeitgeber fällt auch als sogenannte Weltanschauungsgemeinschaft nicht unter § 118 Abs. 2 BetrVG.

aa) Unter Religion oder Weltanschauung versteht die Rechtsprechung eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens. Die Religion legt eine den Menschen überschreitende und umgreifende ("transzendente") Wirklichkeit zu Grunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche ("immanente") Bezüge beschränkt (BVerfGE 32, 98, 107; BVerwGE 37, 344, 363; BVerwGE 61, 152, 156; BVerwGE 90, 112, 115). Eine Vereinigung ist dann als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes anzusehen, wenn ihre Mitglieder oder Anhänger auf der Grundlage gemeinsamer religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen eine unter ihnen bestehende Übereinstimmung über Sinn und Bewältigung des menschlichen Lebens bezeugen (BAG, Beschluss vom 23.03.1995 - AP Nr. 21 zu § 5 ArbGG 1979; ähnlich: Obermayer, BK, GG, Art. 140 Rz. 39 ff., 43; von Campenhausen, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 137 WRV Rz. 300; Maunz/Dürig, GG, Art. 140 Rz. 20 m.w.N.). Nach Auffassung der Beschwerdekammer handelt es sich bei dem Trägerverein des Gemeinschaftskrankenhauses um eine Weltanschauungsgemeinschaft in diesem Sinne.

Zwar ist der Zweck des Trägervereins in erster Linie der Betrieb des Gemeinschaftskrankenhauses H1xxxxxx und verwandter Einrichtungen. Dies ergibt sich aus § 2 Nr. 1 Satz 1 der Satzung des Arbeitgebers. Auch wenn Grundlage des Betriebes des Gemeinschaftskrankenhauses die anthroposophische Welt- und Menschenerkenntnis ist, ist die Zielsetzung des Arbeitgebers dennoch auf den Betrieb des Gemeinschaftskrankenhauses H1xxxxxx und seiner Einrichtungen begrenzt. Insoweit könnte es sich bei dem Trägerverein lediglich um eine weltanschauliche Vereinigung - im Gegensatz zu einer Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne des Grundgesetzes - handeln, weil der Trägerverein lediglich der gemeinsamen Pflege partieller weltanschaulicher Aufgaben - und nicht der umfassenden Bezeugung eines auf die Frage nach dem Sinn des Lebens bezogenen Konsenses - dient (zur Abgrenzung: Obermayer, a.a.O., Rz. 48 ff., 55; von Campenhausen, a.a.O., Rz. 300).

Bei dem Trägerverein des Gemeinschaftskrankenhauses H1xxxxxx handelt es sich jedoch nach Auffassung der Beschwerdekammer nicht um eine bloße weltanschauliche Vereinigung. Neben dem Betrieb des Gemeinschaftskrankenhauses ist das Ziel des Arbeitgebers, durch die anthroposophische Welt- und Menschenerkenntnis zu einer Erweiterung der Medizin, Pflege und künstlerischen Therapie sowie deren Sozialgestalt beizutragen. Der Arbeitgeber fördert die Aus- und Weiterbildung sowie Wissenschaft und Forschung in allen bereichen der Einrichtungen. Dies ergibt sich aus den weiteren Bestimmungen des § 2 Nr. 1 der S3xxxxx des Arbeitgebers. Die Mitglieder des Arbeitgebers bezeugen danach auf der Grundlage gemeinsamer weltanschaulicher Überzeugungen eine unter ihnen bestehende Übereinstimmung über Sinn und Bewältigung des menschlichen Lebens. § 2 der S3xxxxx enthält eine umfassende Zielsetzung im Sinne der Verwirklichung der anthroposophischen Geisteswissenschaft.

bb) Auch wenn der Trägerverein des Gemeinschaftskrankenhauses als Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne der Bestimmungen des Art. 140 GG, Art. 137 WRV angesehen wird, hat das Arbeitsgericht zu Recht erkannt, dass der Trägerverein nicht den absoluten Tendenzschutz des § 118 Abs. 2 BetrVG für sich in Anspruch nehmen kann.

Die Frage, ob aus Art. 137 Abs. 7 WRV gefolgert werden muss, dass Weltanschauungsgemeinschaften ebenso wie Religionsgemeinschaften vom Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes ausgeschlossen sind, ist von der arbeitgerichtlichen Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden und wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet.

Insoweit wird vertreten, dass der Begriff der Religionsgemeinschaft nach § 118 Abs. 2 BetrVG ebenso zu verstehen sei wie der des Art. 137 Abs. 3 WRV. Er soll daher nicht die allgemeinen anerkannten christlichen Bekenntnisse, sondern auch Glaubensgemeinschaften weltanschaulicher Art umfassen (Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., § 118 Rz. 106; Fitting, a.a.O., § 118 Rz. 54; Galperin-Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz. 88; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 118 Rz. 68).

Demgegenüber wird auch vertreten, dass Weltanschauungsgemeinschaften nicht zu den Religionsgemeinschaften im Sinne des § 118 Abs. 2 BetrVG gehören. Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV seien zwar Weltanschauungsgemeinschaften den Religionsgemeinschaften gleichgestellt. Diese Gleichstellung fordere aber keineswegs, § 118 Abs. 2 BetrVG auch auf Weltanschauungsgemeinschaften anzuwenden (Richardi/Thüsing, a.a.O., § 118 Rz. 210; Fabricius, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 118 Rz. 753 ff., 767; Hanau/Kania, a.a.O., § 118 BetrVG Rz. 30; Marhold, AR-Blattei, SD 1570 Rz. 183; Noll, Arbeitsrecht im Tendenzbetrieb, 2001, S. 105 m.w.N.).

Ebenso wie das Arbeitsgericht ist auch die Beschwerdekammer der Auffassung, dass die Gleichstellung von Weltanschauungsgemeinschaften mit Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 7 WRV nicht fordert, sie von der Geltung des staatlichen Betriebsverfassungsrechtes freizustellen. Die vom Arbeitgeber für zutreffend gehaltene Auffassung führt schon keine ausdrücklichen Gründe an. Darüber hinaus beschränkt bereits der Wortlaut des § 118 Abs. 2 BetrVG den Ausschluss der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes auf Religionsgemeinschaften. Der Gesetzgeber hat in § 118 Abs. 2 BetrVG den Ausschluss des Betriebsverfassungsgesetzes lediglich für Religionsgemeinschaften, nicht auch für Weltanschauungsgemeinschaften, angeordnet. Die Gleichstellung von Weltanschauungsgemeinschaften mit Religionsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 7 WRV bezieht sich nur auf den gegebenen staatskirchenrechtlichen Rahmen. Auch andere Normen des einfachen Rechts sprechen dagegen, dass Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften in allen Bereichen automatisch gleichzustellen sind. So ist beispielsweise in § 2 Abs. 3 Nr. 3 des Vereinsgesetzes vom Gesetzgeber ausdrücklich normiert worden, die Weltanschauungsgemeinschaften den Religionsgemeinschaften gleichzustellen. Da es hier um den Schutz von staatlicher Verfolgung geht, ist diese Gleichstellung auch sachlogisch. Dagegen wird § 11 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz so ausgelegt, dass davon nur die Religionsgemeinschaften, nicht jedoch die Weltanschauungsgemeinschaften geschützt werden (BVerwG, Urteil vom 14.11.1980 - NJW 1981, 1460; GK-Fabricius, a.a.O., § 118 Rz. 768).

Eine ausdehnende Anwendung des § 118 Abs. 2 BetrVG auch auf Weltanschauungsgemeinschaften ist nach Auffassung der Berufungskammer auch deshalb nicht erforderlich, weil die Weltanschauung - hier diejenige des Arbeitgebers - nicht auf einem bestimmten Offenbarungsglauben beruht (Richardi/Thüsing, a.a.O., § 118 Rz. 210; GK-Fabricius, a.a.O., § 118 Rz. 767).

Die auch von der Beschwerdekammer zutreffend gehaltene Auffassung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Weltanschauungsgemeinschaften - wie die des Arbeitgebers - sind durch Art. 4 und 5 GG ausreichend geschützt. Die Beschränkung der gesetzlichen Regelung auf religiöse Bekenntnisse hält sich im Rahmen des Zulässigen. Nach dem staatskirchrechtlichen System des Grundgesetzes steht der Staat den verschiedenen Religionen und Weltanschauungen im Interesse der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aller Bürger grundsätzlich neutral gegenüber. Das Grundgesetz gebietet aber schon für Religionsgesellschaften keine schematische Gleichbehandlung. Vielmehr sind hier - ebenso wie im Verhältnis zur Weltanschauungsgemeinschaften - Differenzierungen zulässig, die durch tatsächliche Verschiedenheiten der einzelnen Gesellschaften bedingt und daher sachlich vertretbar sind.

4. Der Arbeitgeber kann sich, wie das Arbeitsgericht ferner zutreffend ausgeführt hat, auch nicht auf den relativen Tendenzschutz des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berufen.

Nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen dienen keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht.

a) In Übereinstimmung mit der Beurteilung durch die Beteiligten und das Arbeitsgericht geht auch die Beschwerdekammer davon aus, dass das vom Arbeitgeber betriebene Gemeinschaftskrankenhaus karitativen Zwecken dient.

Ein Unternehmen dient dann karitativen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn es sich den sozialen Dienst am körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel gesetzt hat, wenn es auf Heilung oder Milderung innerer oder äußerer Nöte des Einzelnen gerichtet ist, sofern diese Betätigung ohne die Absicht der Gewinnerzielung erfolgt und das Unternehmen selbst nicht von Gesetzes wegen unmittelbar zu derartiger Hilfeleistung verpflichtet ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, wer rechtlich oder wirtschaftlich an dem privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen beteiligt ist oder darauf einen beherrschenden Einfluss ausübt (BAG, Beschluss vom 29.06.1988 - AP Nr. 37 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 08.11.1988 - AP Nr. 38 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 31.01.1995 - AP Nr. 56 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 24.05.1995 - AP Nr. 57 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 22.11.1995 - AP Nr. 58 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 05.10.2000 - AP Nr. 69 zu § 118 BetrVG 1972; Fitting, a.a.O., § 118 Rz. 18; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 118 Rz. 58 f.; Hanau/Kania, a.a.O., § 118 BetrVG Rz. 11; Matthes, MünchArbR, 2. Aufl., § 356 Rz. 15; Oldenburg, NZA 1989, 412 f.; Weber, NZA 1989, Beil. 3, S. 2 f.; weitergehend: Kohte, BlStSozArbR 1983, 129; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., Rz. 27; GK-Fabricius, a.a.O., § 118 Rz. 197, 205).

In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist auch anerkannt, dass Krankenhäuser, die nicht in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden, karitativen Bestimmungen im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG dienen (BAG, Beschluss vom 24.05.1995 - AP Nr. 57 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 22.11.1995 - AP Nr. 58 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 27.10.1998 - AP Nr. 65 zu § 118 BetrVG 1972).

Um einen solchen Betrieb handelt es sich bei dem vom Arbeitgeber betriebenen Gemeinschaftskrankenhaus. Das Gemeinschaftskrankenhaus hat sich den sozialen Dienst an körperlich und seelisch leidenden Menschen zum Ziel gesetzt. In dem Gemeinschaftskrankenhaus werden Tätigkeiten im Dienste Hilfsbedürftiger, insbesondere körperlich, geistig und seelisch Kranker, erbracht. Auch die Beschwerdekammer geht davon aus, dass das Gemeinschaftskrankenhaus nicht in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird; es ist als gemeinnützig anerkannt.

Darüber hinaus dient das Gemeinschaftskrankenhaus auch konfessionellen Zwecken im Sinne des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG.

Konfessionellen Bestimmungen dienen Unternehmen, deren Zwecksetzung Ausdruck einer bestimmten religiösen Überzeugung ist, soweit sie nicht ohnehin unter § 118 Abs. 2 BetrVG fallen. Erfasst werden alle Einrichtungen, deren Aufgaben und Ziele durch eine bestimmte religiöse oder weltanschauliche Überzeugung geprägt sind, wie z.B. Freidenkerverbände oder anthroposophische Vereinigungen. Dies ergibt eine erforderliche weite Auslegung des Begriffes "konfessionelle Bestimmungen" (GK-Fabricius, a.a.O., § 118 Rz. 183, 185; Hanau/Kania, a.a.O., § 118 Rz. 10; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., § 118 Rz. 26; Fitting, a.a.O., § 118 Rz. 17; Hess/Schlochauer/Glaubitz, a.a.O., § 118 Rz. 16; Matthes, a.a.O., § 364 Rz. 12; Galperin/Löwisch, a.a.O., § 118 Rz. 15; Marhold, a.a.O., Rz. 86; ebenso, wenn auch eine Analogie befürwortend: Richardi/Thüsing, a.a.O., § 118 Rz. 57; Mayer-Maly, AR-Blattei "Tendenzschutz" D III).

b) Die Eigenart des vom Arbeitgeber betriebenen Gemeinschaftskrankenhauses steht aber der Anwendung der Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes bei der Anordnung von Überstunden für Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes nicht entgegen. Die Tendenz des Arbeitgebers erfordert einen Ausschluss des Mitbestimmungsrechtes bei Überstunden auch von ärztlichen Mitarbeitern nicht.

Ob die Eigenart des Unternehmens eine Einschränkung von Beteiligungsrechten des Betriebsrates erfordert, richtet sich einmal nach der Tendenznähe der Maßnahme, andererseits ist maßgeblich, inwieweit die von der Maßnahme betroffene Person den Tendenzcharakter des Unternehmens mit verwirklicht (Fitting, a.a.O., § 118 BetrVG Rz. 30 m.w.N.).

In sozialen Angelegenheiten nach den §§ 87 ff. BetrVG wird im allgemeinen eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte nicht in Betracht kommen, wenn es um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes geht (BAG, Beschluss vom 30.01.1990 - AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972 - unter II. 3. b) aa) der Gründe; BAG, Beschluss vom 14.01.1992 - AP Nr. 49 zu § 118 BetrVG 1972 - unter II. 2. c) der Gründe; Fitting, a.a.O., § 118 Rz. 32; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 118 Rz. 142; Marhold, a.a.O., Rz. 153 m.w.N.). Nur wenn es sich um eine tendenzbezogene Maßnahme handelt, bei der die Beteiligung des Betriebsrates an der Entscheidung die Tendenzverwirklichung ernsthaft beeinträchtigt werden kann, scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 118 Abs. 1 BetrVG aus (BAG, Beschluss vom 30.01.1990 - AP Nr. 44 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 11.02.1992 - AP Nr. 50 zu § 118 BetrVG 1972; Fitting, a.a.O., § 118 Rz. 29; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., § 118 Rz. 75 m.j.w.N.).

Diese Grundsätze gelten auch bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Auch bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit geht es um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes. Insoweit kommt eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechtes wie bei anderen sozialen Angelegenheiten nur in Ausnahmefällen in Betracht.

So hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden, dass der Tendenzcharakter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Arbeitszeit von Pflegekräften in einer karitativen Einrichtung nicht ausschließt (BAG, Beschluss vom 18.04.1989 - AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG, Beschluss vom 06.11.1990 - AP Nr. 8 zu § 3 AZO; BAG, Beschluss vom 04.12.1990 - 1 ABR 3/90 -). Auch für Redakteure an Tageszeitungen ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nicht ausgeschlossen (BAG, Beschluss vom 30.01.1990 - AP Nr. 40 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 14.01.1992 - AP Nr. 49 zu § 118 BetrVG 1972; BAG, Beschluss vom 11.02.1992 - AP Nr. 50 zu § 118 BetrVG 1972; vgl. auch: BVerfG, Beschlüsse vom 15.12.1999 - AP Nrn. 67, 68 zu § 118 BetrVG 1972; Fitting, a.a.O., § 118 Rz. 32; Richardi/Thüsing, a.a.O., § 118 Rz. 144; Hanau/Kania, a.a.O., § 118 Rz. 23 m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht auch für Lehrer an Privatschulen bei der Festlegung von Höchstgrenzen für Vertretungsstunden (BAG, Beschluss vom 13.06.1989 - AP Nr. 36 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).

Nichts anderes gilt für das ärztliche Personal im Gemeinschaftskrankenhaus des Arbeitgebers. Die Frage, ob im ärztlichen Bereich die Anordnung von Überstunden erforderlich ist, ist nicht tendenzspezifisch, sondern stellt sich in jedem Betrieb. Nur dort, wo tendenzbedingte Gründe für die Anordnung von Überstunden ausschlaggebend sind, kann das Mitbestimmungsrecht entfallen. Die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung des Gemeinschaftskrankenhauses wird durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Überstunden auch im ärztlichen Bereich nicht ernsthaft beeinträchtigt.

Auch das besondere Arzt-Patienten-Verhältnis erfordert eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechtes bei Überstunden nicht.

Soweit der Arbeitgeber darauf hinweist, dass der im Gemeinschaftskrankenhaus arbeitende Arzt seinen Patienten in seiner Individualität und in seinem Krankheitsbild umfassend kennen müsse, er kenne die seelische und geistige Gesamtkonstitution des Patienten und bemühe sich, in Diagnose und Therapie individuell auf diese Gegebenheiten einzugehen und diese konkret zu berücksichtigen, gilt dies für das Verhältnis eines jeden Arztes zu seinem Patienten, nicht nur für das Arzt-Patienten-Verhältnis im Gemeinschaftskrankenhaus des Arbeitgebers. Der weiteren Auffassung des Arbeitgebers, der Arzt der anthroposophisch erweiterten Medizin könne die weitere Behandlung nicht einem dienstplanmäßig nachfolgenden Arzt überlassen, der eine bestimmte Beziehung zu einem Patienten nicht aufgebaut habe, vermag die Beschwerdekammer ebenso wenig zu folgen. Selbst im Gemeinschaftskrankenhaus des Arbeitgebers endet die tägliche Arbeitszeit eines Arztes zu einem bestimmten Zeitpunkt, auch wenn er Überstunden geleistet hat. Zu Recht weist der Betriebsrat darauf hin, dass auch der Arzt der anthroposophisch erweiterten Medizin keinem Patienten rund um die Uhr zur Verfügung steht und auch nicht zur Verfügung stehen kann. Die Regelung von Überstunden des ärztlichen Personals im Gemeinschaftskrankenhaus des Arbeitgebers, etwa durch eine Betriebsvereinbarung, beeinträchtigt nicht die Freiheit zur Tendenzbestimmung und zur Tendenzverwirklichung. Insoweit können sich allenfalls Schranken in der Ausübung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates ergeben. Der Arbeitgeber, der letztlich die Beweislast dafür trägt, dass die Ausübung der Mitbestimmungsrechte der Eigenart des Betriebes entgegensteht (Fitting, a.a.O., § 118 BetrVG Rz. 29; Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, a.a.O., § 118 Rz. 115; Hanau/Kania, a.a.O., § 118 Rz. 27; GK-Fabricius, a.a.O., § 118 Rz. 794), hat vorliegend auch nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass tendenzbedingte Gründe für die jeweilige Anordnung von Überstunden ausschlaggebend gewesen seien. Bestimmte Einzelfälle, in denen tendenzbedingte Gründe für die Anordnung von Überstunden ausschlaggebend gewesen sind, sind vom Arbeitgeber nicht dargelegt worden. Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechtes ist vielmehr allgemein mit dem Tendenzcharakter des Betriebes und der Tendenzträgerschaft aller Ärzte abstrakt begründet worden. Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechtes in sozialen Angelegenheiten kommt aber nur in Ausnahmefällen in Betracht, da es insoweit lediglich um den wertneutralen Arbeitsablauf des Betriebes geht. Das Mitbestimmungsrecht bei der Regelung von Arbeitszeitfragen und bei der Anordnung von Überstunden ist regelmäßig nicht tendenzspezifisch, sondern stellt sich in jedem Betrieb. Allenfalls können sich Schranken in der Ausübung des Mitbestimmungsrechtes bei der Anordnung von Überstunden ergeben. Derartige Schranken können in Ausübung des Mitbestimmungsrechtes gemeinsam festgelegt werden.

Nach alledem beeinträchtigt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Anordnung und Duldung von Überstunden im ärztlichen Bereich nicht die Freiheit des Arbeitgebers zur Tendenzbestimmung und Tendenzverwirklichung. Ob im Einzelfall bei der Einstellung oder Entlassung von ärztlichem Personal etwas anderes gilt (vgl. BAG, Beschluss vom 18.04.1989 - AP Nr. 65 zu § 99 BetrVG 1972 - unter II. 5. der Gründe), konnte offen bleiben, da im vorliegenden Fall lediglich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Anordnung und Duldung von Überstunden im Bereich der Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes im Streit steht.

5. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Unterlassungsantrag des Betriebsrates auch in vollem Umfange stattgegeben. Der Betriebsrat hat bei der Anhörung vor der Beschwerdekammer ausdrücklich klargestellt, dass er kein Mitbestimmungsrecht für den in § 5 Abs. 3, 4 BetrVG genannten Personenkreis, für die leitenden Ärzte, Chefärzte, für sich in Anspruch nimmt. Der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Unterlassungsanspruch bezieht sich danach lediglich auf die weisungsgebundenen Mitarbeiter des ärztlichen Dienstes.

Der Arbeitgeber kann sich auch nicht darauf berufen, Ärzte mit Liquidationsberechtigung hätten insoweit auszuscheiden und seien vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Anordnung von Überstunden nicht betroffen. Unstreitig ist jedoch unter den Beteiligten, dass die Liquidationserlöse von den betroffenen Ärzten zu 100 % an den Arbeitgeber abgeführt werden. Unstreitig ist darüber hinaus, dass das Überschreiten der regulären Arbeitszeit und die Ableistung von Überstunden nicht allein auf der Behandlung von Privatpatienten beruht. Auch der Arbeitgeber will offenbar nicht vortragen, dass im Gemeinschaftskrankenhaus zunächst die Kassenpatienten und sodann im Anschluss daran die Privatpatienten behandelt werden.

6. Auch dem Antrag des Betriebsrates, dem Arbeitgeber für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld anzudrohen, hat das Arbeitsgericht zu Recht entsprochen. Dieser Antrag folgt aus § 890 ZPO. Die Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO ist auch bereits im Erkenntnisverfahren möglich und zulässig (LAG Frankfurt, Beschl. v. 03.06.1988 - DB 1989, 536; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 85 Rz. 27). Die Möglichkeit der Androhung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO wird auch nicht durch die Regelung in § 23 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen oder eingeschränkt. § 23 Abs. 3 BetrVG enthält insoweit keine abschließende Regelung (Fitting, aaO, § 23 Rz. 108; Wiese/Oetker, GK-BetrVG, aaO, § 23 Rz. 166; Däubler/Kittner/Klebe/Trittin, aaO, § 23 Rz. 135 m.w.N.).

III

Wegen der besonderen Bedeutung der Rechtssache hat die Beschwerdekammer die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht nach den §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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